Zugegeben: Der Titel ist vielleicht etwas euphorisch formuliert. Natürlich ist das hier kein Patentrezept dafür, mit Sicherheit eine Genehmigung für die Pumpe zu bekommen. Es gibt aber sicher Argumentationsgrundlagen und Tipps, die es zumindest wahrscheinlicher machen. Diese möchte ich heute mit euch teilen - anlässlich der dauerhaften Genehmigung meiner Pumpe.
Argumentationshilfen
Das Folgende bezieht sich auf den Folgeantrag, sprich, den Antrag auf eine dauerhafte Genehmigung nach der Probezeit. Indikationen für die generelle Beantragung einer Pumpe (an meinem Beispiel) findet ihr hier.
Man hat jetzt also die Probezeit mit der Pumpe hinter sich gebracht, ist zufrieden bis restlos begeistert und möchte die Krankenkasse bzw. den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) davon überzeugen, dass man die Pumpe dauerhaft behalten darf. Dafür gilt es natürlich, gute Argumente zu finden. Denn der MDK möchte einen Nutzen darin sehen, dass die Krankenkasse zusätzliches Geld für die Pumpentherapie zur Verfügung stellt. Und Nutzen heißt in dem Fall, medizinischer Nutzen. Natürlich spielt auch die Lebensqualität eine Rolle (dazu komme ich später noch), aber bei der Bewertung durch den MDK sollten schon auch andere Argumente gebracht werden als "Mit der Pumpe fühle ich mich viel wohler, ständiges Pieksen mit dem Pen nervt!" (überspitzt gesagt, natürlich ;-))
Hier also ein paar Argumentationshilfen bzw. Gründe, die ihr anführen könnt, um euren Folgeantrag zu untermauern (die Gründe müssen natürlich auf euch zutreffen und je nach Grund ggf. auch anhand medizinischer Daten oder durch Tagebuchaufzeichnungen belegbar sein):
- Argumentationshilfe Nummer 1 ist und bleibt natürlich der HbA1c. Ob man das jetzt gut findet oder nicht, sei mal dahingestellt, aber wenn ihr beispielsweise in der Probezeit euren HbA1c von 7.5 auf 6.6 verbessern konntet, ohne gravierende Hypos zu haben, ist das ohne Frage fast schon ein Totschlagargument. Der HbA1c gilt nach wie vor als "Goldstandard" in der Diabetestherapie und wird deshalb natürlich gerne für eine Einschätzung des Therapieerfolgs verwendet. Wenn euer HbA1c nicht besser geworden sein sollte, ist das aber noch lange kein Grund zu verzweifeln. Auch mein HbA1c ist während der Probezeit unverändert geblieben, bei einer anderen Patientin in meiner Praxis hat er sich sogar verschlechtert. Hier ist es nur wichtig, die Ursachen genau und nachvollziehbar zu begründen: Bei mir ist der Durchschnittswert zwar gleich, aber die Werte um den Durchschnittswert schwanken weniger (das konnte ich auch durch meine mysugr-App-Daten belegen, die eine Auswertung der Abweichungen um den Mittelwert darstellt). Wenn der HbA1c schlechter geworden ist, sollte natürlich Ursachenforschung betrieben werden: War euer voriger HbA1c vielleicht durch Hypos "erkauft" und durch die Pumpe konnten die Hypos reduziert werden? Dann ist das definitiv eine gute Begründung und kein Hindernis für eine dauerhafte Genehmigung! Oder klappt die Einstellung noch nicht so gut, weil ihr trotz vieler Tests immer noch nicht die richtige Basalrate/die richtigen Faktoren gefunden habt? Dann kann vielleicht eine Verlängerung der Probezeit helfen. So oder so solltet ihr auch bei einem nicht verbesserten HbA1c nicht aufgeben - es sei denn, ihr kommt mit der Pumpentherapie absolut gar nicht zurecht. Aber auch dafür ist die Probezeit ja da.
- Eine weitere typische Indikation ist das Dawn-Phänomen. Damit sind Anstiege des Blutzuckers in den frühen Morgenstunden gemeint, die durch hormonelle Einflüsse entstehen und gegen die man unter ICT außer rechtzeitig Aufstehen und mit schnell wirkendem Insulin korrigieren leider wenig machen kann. Bei einer Pumpe kann die Basalrate genau hierauf ausgerichtet werden, sodass ihr nicht schon um 5 Uhr aufstehen müsst, um euch eine Dosis Insulin zu geben bzw. ansonsten mit hohen Morgenwerten leben müsst. Die Pumpe gibt einfach automatisch zu der Zeit, ab der ihr das einstellt, mehr Insulin ab. Ein riesiger Vorteil also! Sehr viele Diabetiker haben das Dawn-Phänomen in mehr oder weniger ausgeprägter Form. Auch ich steige in den Morgenstunden leicht an, aber nicht so sehr, dass es als Indikation ausreichen würde. Dafür hatte ich das Ganze gegen 1 Uhr nachts. Hier galt natürlich die gleiche Argumentation und somit war ein weiterer Grund gefunden, der für die Pumpe sprach. Wichtig hier: Prävention ist immer besser als Reaktion und das sollte i.d.R. auch der MDK sehen. Sprich: Hohe Werte gar nicht erst aufkommen lassen, statt quasi auf sie warten zu müssen und sie dann zu korrigieren.
- Fett-Protein-Einheiten - ein weiteres Zauberwort meines Folgeantrags. Durch den Dual- oder verlängerten Bolus können diese wesentlich besser abgedeckt werden. Meine Pumpe kann bis zu 8 Stunden verzögert Insulin abgeben, wodurch späte Anstiege nach fettigem Essen bestenfalls ganz verhindert werden. Die richtige Berechnung der FPE fällt mir leider immer noch schwer, denn wie man lernt ist auch Pizza nicht gleich Pizza. Aber durch viel Ausprobieren hat man mit der Pumpe auf jeden Fall eine gute Chance, späte Anstiege nach dem Essen zu verhindern. Das ist übrigens nicht nur für besonders fettige Mahlzeiten relevant, sondern bei mir z.B. auch für Salat mit Hähnchen, Rührei o.ä. Zwar kommt der Anstieg durch Fett doch mehr zum Tragen, aber auch Proteine haben einen gewissen Einfluss auf meinen Blutzucker, den ich mit Hilfe der Pumpe besser kontrollieren kann.

- Ein weiterer wichtiger Punkt beim Folgeantrag: Sport. Sei es jetzt, dass ihr viel und regelmäßig Sport treibt (das könntet ihr z.B. durch eine Mitgliedschaft im Verein, im Fitnessstudio oder durch regelmäßige Aufzeichnungen in eurem Tagebuch belegen) oder auch, dass ihr einfach nur während der Arbeit viel auf den Beinen seid oder gerne lange Spaziergänge mit eurem Hund macht. Im Normalfall bietet die Pumpe für jede Art der Bewegung Vorteile. Ich denke da gerne ans Shoppen, bei dem ich normalerweise nach spätestens einer Stunde mit einer Tube Jubin oder ganz viel Orangensaft auf dem Bürgersteig sitze, weil ich so niedrig bin. Durch das Absenken der temporären Basalrate ist es im Idealfall möglich, gar nichts "dazuessen" zu müssen, sondern einfach durch weniger Basalinsulin das Absinken durch die sportliche Betätigung aufzufangen. Ich möchte ehrlich sein: So ganz 100%ig hat das bei mir noch nicht geklappt. Denn natürlich hilft die temporäre Basalrate wenig, wenn man sich spontan zu einem kleinen Lauf entschließt und sie nicht schon mindestens eine Stunde vorher absenkt. Oder auch, wenn man eine Stunde vor dem Spaziergang eine kohlenhydratreiche Mahlzeit hatte und dadurch noch jede Menge Restinsulin wirksam ist. Man muss die Bewegung schon gut planen und sich intensiv damit auseinandersetzen, wie Sport bei einem individuell auf den Blutzucker wirkt. Denn: Nicht immer senkt Sport den Blutzucker. Generell sind die temporäre Basalrate oder auch das vorübergehende Abkoppeln der Pumpe aber zumindest eine sehr gute Unterstützung beim Sport und dementsprechend auch eine wichtige Argumentationshilfe.
- Zuletzt spielte zumindest für mich persönlich noch etwas eine Rolle, nämlich das Abfangen von Hypos, auch abseits vom Sport. Das geht mit der
Pumpe deutlich besser. Zwar habe ich noch kein CGM, aber durch regelmäßiges Messen merke ich auch das ein oder andere Mal schon wenige Stunden nach dem Essen, dass mein Blutzucker zu sehr sinkt.
Wenn ich beispielsweise nach 2 Stunden einen Wert von 85 mg/dl habe und ich eigentlich eher schnell wirkende Kohlenhydrate aufgenommen habe, kann ich persönlich davon ausgehen, dass mein Wert
bald noch weiter fallen wird. Durch gezieltes Senken der Basalrate (oder auch kurzfristigem Unterbrechen der Abgabe) kann ich eine drohende Hypo nun verhindern. Achtung: Dies ist bei jedem
unterschiedlich und hängt immer auch von der aufgenommenen Nahrung ab!
Was hingegen für jeden gelten dürfte, ist, dass die Pumpe beim Verhindern von "Überkorrekturen" hilfreich ist. Wie oft habe ich schon kurz nach dem Essen einen hohen Wert gemessen, mich wahnsinnig geärgert und einfach eine Korrektur gespritzt. Die Quittung kam dann wenig später durch eine Hypo. Meine Pumpe berechnet das noch wirksame Insulin mit ein und zeigt mir an, ob ich gerade wirklich schon korrigieren sollte, oder besser noch etwas abwarte, weil noch einiges an Insulin wirksam ist. Auch hier ist die Pumpe sicher nicht allwissend, denn wenn ich wenige, langsam wirkende KE gegessen habe und nach 2 Stunden einen Wert von 230 mg/dl habe, ist es doch bei mir relativ wahrscheinlich, dass eine Korrektur angebracht wäre. Aber in jedem Fall hilft die Pumpe hier gegen vorschnelle Reaktionen und auch das ist im Hinblick auf die Diabetestherapie sehr wichtig. - Zu guter Letzt ist die Pumpe für viele Frauen während der Periode sehr hilfreich, weil sie hier andere (meist zu hohe, teils aber auch niedrigere) Blutzuckerwerte feststellen. Hier kann mit einer zyklusabhängigen Basalrate gearbeitet werden, um auf genau diese Phasen zielgerichtet eingehen zu können.

Persönliche Stellungnahme
Oftmals kann es hilfreich sein, zusätzlich zum ärztlichen Gutachten auch noch eine persönliche Stellungnahme zu schreiben. In die könnt ihr dann all diejenigen Dinge einbauen, die im Gutachten vielleicht noch nicht erwähnt sind, oder auch einfach versuchen, die Punkte aus dem Gutachten anhand von Alltagsbeispielen zu verdeutlichen. Manchmal hilft so etwas den Gutachtern, die Bedeutung der Pumpe besser nachvollziehen zu können. Manchen ist es vielleicht auch komplett egal, aber i.d.R. macht ihr durch eine persönliche Stellungnahme zumindest nichts schlechter.
Natürlich solltet ihr euch damit auch selbst wohlfühlen und euch nicht mit dem Schreiben quälen. Für mich hat es am besten funktioniert, einfach spontan meine Gedanken herunterzuschreiben. Damit ihr eine ungefähre Vorstellung bekommt, veröffentliche ich hier ganz exklusiv Auszüge aus meiner persönlichen Stellungnahme. In eurem eigenen Interesse kann ich aber nur raten, nichts hieraus zu kopieren, denn die Stellungnahme sollte, wie schon gesagt persönlich sein und damit eben genau auf euch und eure Situation zugeschnitten. Und ob der Gutachter nicht vielleicht doch mal googelt und dann hierauf stößt, weiß man natürlich auch nicht... Als Anregung kann es aber doch hoffentlich dem ein oder anderen dienen... :-)
"Ich habe seit mittlerweile 13 Jahren Typ 1-Diabetes und seit dem ersten Tag erzählte man mir, wie viel leichter das Leben mit der Erkrankung
ist, wenn man eine Insulinpumpe hat – wie viel besser die Werte werden und wie genauer alles einstellbar ist. Trotzdem habe ich mich knapp 12 Jahre lang dagegen gesträubt, eine Insulinpumpe zu
tragen, weil ich Vorurteile dagegen hatte, die ich aus heutiger Sicht absolut revidieren muss. Ich hätte nie gedacht, dass es so schnell geht, aber nach den 4 Monaten Probezeit mit der
Insulinpumpe kann ich mir mittlerweile tatsächlich gar nicht mehr vorstellen, wie es ohne die Pumpe war. Dank der Insulinpumpe habe ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder das Gefühl, meine
Werte tatsächlich steuern zu können. [...]
Ich war schon immer sehr darauf bedacht, eine möglichst gute Blutzuckereinstellung zu erreichen und habe mich deshalb auch nie gescheut, auch
in eigentlich unangenehmen Situationen, wenn es nötig war, sofort zu spritzen. Stellen Sie sich aber einmal vor, wie es ist, als Pendlerin in einer überfüllten Bahn seinen Pen herauszuholen,
seinen Bauch freizulegen und sich Insulin zu spritzen. Mal hört man Kommentare, die bis hin zu Verdächtigungen, dass man vielleicht Drogen nähme, gehen, zumindest erntet man jedoch zahlreiche
Blicke von den umstehenden Leuten – man fühlt sich tatsächlich ausgegrenzt, „anders“, „behindert“. Nun könnte es einem egal sein, was fremde Leute von einem denken, aber selbst in meinem
Freundeskreis gibt es viele Menschen, die vor meinem Pen regelrecht Angst hatten. In Restaurants ist es sogar schon vorgekommen, dass Diabetiker zum Spritzen auf die Toilette geschickt wurden,
weil dies den anderen Gästen nicht zuzumuten sei. All diese Dinge sind mit der Pumpe schlichtweg passé. Falls Leute doch noch schauen, so sind die Blicke nicht mehr abschätzend, angeekelt oder
mitleidig, sondern höchstens interessiert. Für mich persönlich ist das ein großer Gewinn an Lebensqualität und ich fühle mich mit der Pumpe einfach stärker in die Gesellschaft integriert.
[...]
Schlussendlich kann ich nur sagen, dass ich es bereue, nicht schon früher meine Vorurteile hinterfragt zu haben, denn die Insulinpumpe hat mir sehr dabei geholfen, als Diabetikerin wieder ein selbstbestimmteres und gesünderes Leben führen zu können."
Ein letzter Tipp: Für mich hat das ärztliche Gutachten in Kombination mit der Stellungnahme und einer Zusammenfassung meiner mysugr-App bereits ausgereicht und ich musste keine Tagebucheinträge
mehr nachreichen. Dennoch solltet ihr während der Probezeit auch wirklich immer Tagebuch führen und alles so ausführlich wie möglich dokumentieren, sprich: Blutzuckerwerte,
aufgenommene KE (am besten auch inklusive einer Mahlzeitenbeschreibung), abgegebene Insulinmenge (Mahlzeiten-Bolus/Korrektur), (temporäre) Basalrate, Basalratentests und erfolgte Änderungen,
Bewegung und jegliche sonstige Ereignisse, die euren Blutzucker beeinflussen (z.B. Stress, Krankheit,...). So könnt ihr vieles aus dem Antrag belegen und zeigt außerdem eure Motivation.
Ich drücke jedem, dem die finale Genehmigung noch bevorsteht, fest die Daumen! Und an alle anderen Pumpenträger: Ich freue mich, jetzt ganz offiziell und permanent zu euch zu gehören! :-)
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