Mein heutiger Post ist etwas anders als die bisherigen, weil ich mir einfach mal etwas von der Seele schreiben wollte, was mich schon seit längerem beschäftigt und jetzt mal raus muss. Es geht um die ewigen Besserwisser bei Facebook und die (vielleicht gut gemeinten) "Ratschläge", die mir leider meist alles andere als Mut machen.
Wovon spreche ich eigentlich?
Gut, vielleicht ist aus meiner Einleitung jetzt nicht wirklich deutlich geworden, wovon ich überhaupt rede. Deshalb will ich euch erstmal aufklären.
Bekannterweise bin ich ja in einigen Facebook-Gruppen aktiv. Ich lese dort immer sehr gerne mit, freue mich über die Erfolge von anderen und leide bei weniger schönen Situationen mit. Ehrlicherweise muss ich sagen, dass ich es manchmal sogar sehr beruhigend finde, wenn ich keine Nulllinien-Freestyle Libre-Kurven sehe, sondern jemand sich darüber wundert, wieso der Blutzucker mal wieder so scheinbar grundlos in die Höhe steigt. Es zeigt mir, dass ich mit meinen Problemen nicht alleine bin und dass uns allen so etwas passiert.
Aber dann kommen sie immer wieder... Kommentare à la "Also, wenn du öfter solche Werte hast, musst du dich über Folgeschäden nicht wundern" oder "Bleibt ja jedem selbst
überlassen, wie er mit seinem Diabetes umgeht, aber ich könnte ja mit solchen Werten nicht leben". Und ähnliches.
Und an dieser Stelle möchte ich einfach mal eine Lanze brechen für all diejenigen, denen es so geht wie mir. Die sich jeden Tag nach Kräften bemühen, gute Werte zu haben. Die
regelmäßig messen, einen Spritz-Ess-Abstand einhalten, ihr Basalinsulin nicht vergessen, immer wieder die Korrektur- und KE-Faktoren anpassen, sich nachts den Wecker stellen, um den Blutzucker zu
kontrollieren... und die trotzdem "solche Werte" haben.
Ich glaube kaum, dass man sich derartige Werte "aussucht". Wenn sich jemand entschließt, gar kein Insulin zu spritzen oder seinen Blutzucker nicht mehr zu kontrollieren, sieht die Sache natürlich anders aus, aber das ist dann ein Fall für einen Diabetologen und/oder Psychologen.
Ich denke aber, dass ein Großteil der Diabetiker schon bemüht ist, gute Werte zu erzielen und dafür vermutlich auch viele Einschränkungen im Alltag in Kauf nimmt.
Und trotzdem müssen wir doch eigentlich alle immer mal wieder die Erfahrung machen, dass guter Wille allein nicht ausreicht. Dass wir einen Spritz-Ess-Abstand einhalten und der Blutzucker trotzdem hochschießt. Dass wir mit unserem üblichen Korrekturfaktor korrigieren und in einer Hypo landen. Dass wir morgens nüchtern aufwachen, mit einem super Wert schlafen gegangen sind, und das Messgerät jetzt etwas weit über 200 mg/dl anzeigt.
Niemand sucht sich das aus und niemand entschließt sich, mit so etwas zu leben. Nur scheint es für mich so, dass es bei manchen einfach leichter zu sein scheint und bei anderen schwieriger. Bei einem Blick auf meine Werte hat mein Diabetologe auch gesagt "Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich kann einfach kein Muster erkennen. Sie machen scheinbar alles richtig und trotzdem sind die Werte so schwankend. Und man kann nicht mal eine Tageszeit ausmachen."
Was mich wirklich aufregt...
... sind Aussagen wie die oben genannten. Oft liest man sie unter Einträgen, bei denen man denkt, dass der Postende vielleicht tatsächlich einen leichten Schubs gebrauchen könnte. Aber ich bezweifle, dass Angst machen hier die richtige Lösung ist.
Ich sehe immer wieder, dass Studien gepostet werden, in denen es dann darum geht, dass man z.B. durch starke Schwankungen eine geringere Lebenserwartung hat, dass man durch viele Hypos ein stark erhöhtes Alzheimer-Risiko hat usw.
Was genau erwartet ihr euch davon, unter die Posts von Hilfe suchenden Menschen derartige Dinge zu posten? Meint ihr nicht, dass wir das alle bereits wissen? Dass jedem Diabetiker bei seiner ersten Schulung gesagt wird, wie wichtig gute Werte sind?
Ich persönlich brauche niemanden, der mir unter die Nase reibt, wie schlecht meine Werte sind und dann auch noch suggeriert, wenn ich mir mal etwas mehr Mühe geben würde, wäre es
schon besser.
Ich hatte eine Zeit lang absolut stabile Werte, momentan schaffe ich das nicht - dennoch mache ich nichts anders, kümmere mich im Gegenteil sogar eher noch mehr um meinen Diabetes.
Ich freue mich ehrlich für all diejenigen, bei denen es super klappt und ich kann eure Freude verstehen - ich würde mich genauso freuen. Ihr dürft gerne weiter eure Nulllinien-Kurven posten, auch damit habe ich gar kein Problem - ich habe selbst mal eine sehr glatte Kurve gepostet, eben weil diese für mich damals eher selten waren und ich stolz darauf war.
Aber bitte, haltet euch doch ein wenig zurück mit der Angstmacherei und den Belehrungen. Für mich wirkt so etwas irgendwie mehr einschüchternd als motivierend und ich denke, da bin ich nicht die Einzige. Ich verstehe, dass man, wenn es bei einem selber super läuft, sein "Wissen" gerne mit anderen teilen will - aber wir sind eben alle verschieden. Wenn der eine mit strikter Low Carb-Ernährung und viel Sport super Werte bekommt, muss das noch lange nicht heißen, dass das bei einer anderen Person genauso funktioniert (schöne Grüße an meinen Salat heute Mittag, der mir am Nachmittag einen 258er-Wert beschert hat).
Ich maße mir nicht an, über die Therapieentscheidungen von anderen Diabetikern zu urteilen, denn jeder hat da seinen eigenen "Kampf" auszutragen. Wer es weniger gut schafft, braucht gute Tipps und Aufmunterung, aber keine Angst schürenden, vorwurfsvollen Beiträge.
Vielleicht denkt der ein oder andere ja mal darüber nach, bevor wieder jemand, der eigentlich nur Hilfe sucht, mit solchen Posts konfrontiert ist.
Ich hoffe, ich habe jetzt niemanden vor den Kopf gestoßen und es fühlt sich keiner persönlich angegriffen. Was ich mit diesem Post vermitteln wollte, ist eigentlich nur, dass wir Diabetiker doch alle in einem Boot sitzen und uns nicht gegenseitig Angst machen und mit Vorwürfen überhäufen sollten. Auch hier macht oft der Ton die Musik. In diesem Sinne: Seid lieb zueinander und unterstützt euch, so gut es geht! :)
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