Blutzucker-Mess-Sucht?

Angesichts dessen, dass für sehr viele das Blutzucker-Messen zu den lästigsten alltäglichen Dingen gehört, die mit dem Diabetes verbunden sind, klingt der Begriff "Blutzucker-Mess-Sucht" vermutlich ziemlich abstrus.

Ein besserer ist mir aber nicht eingefallen für das, womit ich mich tagtäglich herumschlage. Ich kontrolliere meinen Blutzucker viel zu viel - an Tagen mit Sport auch bis zu 20 x am Tag.

Aber wieso eigentlich?

 

Hypo-Angst als Auslöser

Früher habe ich wie die meisten Typ 1-Diabetiker ganz normal 5-6x pro Tag gemessen, teilweise sogar nur 3-4x. Das wäre heute für mich absolut undenkbar. Es fing eigentlich alles damit an, dass ich erstmals eine wirklich schlimme Hypo hatte. Das Gefühl machte mir Angst und ich wollte es nicht wieder erleben. Ich fing an, meinen Blutzucker häufiger zu kontrollieren als vorher, hauptsächlich mit dem Ziel, frühzeitig auf drohende Hypos reagieren zu können.

 

Als ich dann einmal dank einer dieser regelmäßigen Kontroll-Messungen einen Blutzucker von 23 mg/dl entdeckte, den ich ansonsten nicht gemerkt hätte, fühlte ich mich erst recht bestätigt darin, dass die regelmäßigen Kontrollen dringend nötig waren. Es war bis heute in 12 Jahren Diabetes zwar nur das zweite Mal, dass ich einen sehr niedrigen Wert nicht bemerkte, aber trotzdem hatte ich das Gefühl, dass das häufige Messen mich im Ernstfall vielleicht doch vor dem Schlimmsten bewahren könnte.

Natürlich habe ich auch daran gedacht, ob ich eventuell eine Hypo-Wahrnehmung-Störung habe, aber eigentlich merke ich meine Unterzuckerungen ab 70 mg/dl sehr zuverlässig, später wird es nur, wenn der Blutzucker sehr schnell abfällt oder ich gerade sehr abgelenkt bin - aber auch dann merke ich durchaus die typischen Anzeichen.

 

Was ich viel eher habe, als eine Hypo-Wahrnehmungs-Störung, ist mangelndes Vertrauen in meine eigene Körperwahrnehmung.

Häufig ist es so, dass mir schwindelig ist, ich schwitze oder zittere, aber der Auslöser schlichtweg das Wetter, Kreislaufprobleme oder Stress sind und eben keine Hypo. In meiner Hypo-Angst gehe ich in solchen Situationen aber lieber auf Nummer sicher und teste meinen Blutzucker. Meistens stellt sich das Ganze dann als Fehlalarm heraus, aber ich bin wieder beruhigt.

 

Die Folgen: Zerstörte Fingerkuppen

Ich kenne viele Fotos von Diabetiker-Fingerkuppen, aber die meisten sehen für mich im Vergleich zu meinen fast "harmlos" aus. Das soll nicht heißen, dass ich darauf stolz wäre oder andere Diabetiker es ja gar nicht so schwer haben, sondern nur verdeutlichen, dass meine viel zu hohe Mess-Frequenz über die Jahre deutliche Spuren hinterlassen hat.

Meinen Fingerkuppen und auch meinem allgemeinen Wohlbefinden zuliebe würde ich gerne weniger messen. Ich versuche deshalb, die Abstände zwischen den Messungen auf mindestens 3 Stunden auszudehnen, wenn ich nicht doch deutliche Anzeichen einer Unter- oder Überzuckerung verspüre. Teils gelingt mir das schon ganz gut, manchmal ist die Unsicherheit aber doch lieber da und ich messe dann lieber wieder einmal zu viel als einmal zu wenig.

Von im Schnitt 14 Messungen pro Tag bin ich momentan bei ca. 10 angekommen, was immer noch ziemlich viel ist, aber es ist zumindest mal ein Schritt in die richtige Richtung, um nicht meinen ganzen Alltag danach auszurichten, welchen Wert ich wohl gerade habe.

 

Ein CGM wäre für mich nach wie vor eine super Lösung, aber da gibt es noch nichts Neues. Nächste Woche bin ich beim Diabetologen, um über die Pumpe zu reden - ich denke, da werden wir dieses Thema dann auch mal ins Auge fassen.

Wie oft messt ihr pro Tag? Hattet ihr auch schon Phasen, in denen ihr besonders viel oder besonders wenig gemessen habt? Was haltet ihr für eine "gute" Anzahl und habt ihr Tipps, wie ich vielleicht wieder etwas ruhiger im Umgang mit meinen Werten werden kann?

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Kommentare: 3
  • #1

    Anna (Freitag, 14 Oktober 2016 14:06)

    Ich habe eine Hypo Wahrnehmungsstörung und messe maximal fünf mal am Tag.
    Ich kann deine Angst sehr gut verstehen.
    Ich messe wenn ich viel Stress hab auch mal 7 mal am Tag aber mehr will ich mich nicht mit meinem Diabetes beschäftigen, ich habe eine Hypohündin die mich warnt wenn mein Blutzucker abfällt.
    Die Pumpe kann ich dir nur empfehlen.
    Ich hab jetzt auch ein CGM beantragt und hoffe das, dass durch geht.

    Ich wünsche dir das du deine Pumpe bekommst.

  • #2

    Caro (Freitag, 14 Oktober 2016 16:12)

    Liebe Anna,
    danke für deinen lieben Kommentar.
    Ein Hypohund ist echt was Tolles, gerade bei einer Hypo-Wahrnehmungsstörung!
    Dir viel Erfolg für den CGM-Antrag!

  • #3

    Moni (Freitag, 14 Oktober 2016 20:28)

    Ich kann Deine Gedanken, Erfahrungen und Ängste auch sehr gut nachvollziehen. Ich bin zwar erst seid 1 1/2 Jahren Typ 1 Diabetiker, aber die Sorge um ne Hypo oder auch zu hohen Werten lässt mich auch lfd. meine Werte kontrollieren. Zum Glück habe ich seid fast einem Jahr das Libre,welches mir hier wesentlich mehr Sicherheit gibt. Da kann man leicht bis zu 20 mal am Tag scannen, ohne die Fingerkuppen zu ruinieren. Das war schon ein komisches Gefühl, fast wie ein Blindflug, als mir vor knapp 2 Wochen der letzte Sensor ausgefallen ist, ich wieder blutig messen musste und 3 Tage bis zur nächsten Lieferung warten musste..Alleine auf das Körpergefühl kann ich hier nicht verlassen.... Liebe grüße